Tagesbericht: Besuch der Euthanasie-Anstalt in Hadamar

Tagesbericht: Besuch der Euthanasie-Anstalt in Hadamar

Tagesbericht: Besuch der Euthanasie-Anstalt in Hadamar

Am Donnerstag, dem 19.09.2019, besuchten wir, die Schülerinnen und Schüler der Klassen 10a und 10b, mit unseren Geschichtslehrern Herrn Käufer und Herrn Erken die bekannte Euthanasie-Anstalt in Hadamar.

Euthanasie ist das griechische Wort für „schöner Tod“. Dies lässt zunächst einmal darauf schließen, dass es sich hier um einen Ort handelt, der den Menschen einen möglichst angenehmen Abschied vom Leben ermöglicht. Doch was sich hier 1941 abspielte, war alles andere als schön. In die Euthanasie-Anstalt wurden früher geistig und körperlich behinderte Menschen sowie Menschen mit psychischen Erkrankungen gebracht. Diese Patienten wurden allerdings nicht ärztlich und medizinisch betreut, sondern systematisch ermordet. So fielen in Hadamar im ersten Halbjahr 1941 ca. 10.000 Menschen den Machenschaften vor Ort zum Opfer. Nach August 1941 weitere 4.500 Patienten. Man spricht hier von einem Massenmord an 14.500 Menschen allein in dieser Anstalt.

Um ca. 9 Uhr kamen wir in Hadamar an. Die ersten Eindrücke waren noch ganz harmlos und ließen gar nicht darauf schließen, was sich hier vor ca. 80 Jahren abspielte.

Jede Klasse wurde in einen Seminarraum gebracht. Auf uns wartete schon eine Mitarbeiterin. Die erste Stunde nutzten wir, um unser erlerntes Wissen und die Vorinformationen aus unserem Geschichtsunterricht zu vertiefen und um noch nicht besprochene Dinge zu thematisieren. Die Mitarbeiterin erklärte uns, dass es in Hadamar zwei Phasen gab, die durchgeführt wurden.

Von Januar bis August 1941 herrschte die T4-Phase. T4 steht für die Tiergartenstraße 4 in Berlin, in der sich die Zentraldienststelle befand, in der die grausamen Dinge, die sich in Hadamar abspielten, geplant und organisiert wurden. In dieser Phase wurden die Patienten in die Anstalt gebracht und noch am selben Tag vergast. Es war also keinerlei Betreuung und Versorgung der Patienten geplant.

Diese Phase wurde jedoch im August 1941 auf Befehl von Adolf Hitler gestoppt. Doch auch jetzt hatten die grausamen Methoden in Hadamar noch lange kein Ende. Nun wurden die Patienten durch falsche Medikation und/oder Unterernährung ermordet.

Nach einer guten Stunde machten wir uns dann auf den Weg zur Busgarage, die sich außerhalb des Gebäudes befindet. Nachdem wir in der Busgarage erste Eindrücke sammeln konnten, schauten wir uns die ausgestellten Fahrtenlisten an. Anhand dieser Listen lässt sich genau sagen, wie viele Personen an welchen Tagen (an manchen Tagen bis zu 100 Menschen) in Hadamar eintrafen und auch am selben Tag noch ermordet wurden. Es war ein beklemmendes Gefühl zu wissen, dass hier der Albtraum tausender Menschen begann.

Wir machten uns dann auf den Weg in den Keller, in dem ca. 10.000 Menschen vergast wurden. Wir besichtigten eine kleine Kammer, in der bis zu 70 Menschen gleichzeitig vergast wurden. Damals wurde den Patienten erzählt, sie würden zum Duschen in den Keller gehen und könnten danach auf ihre Zimmer. Doch kein Patient kam lebendig aus dem Keller zurück. Die Leichen mit Goldzähnen oder mit außergewöhnlichen Krankheitsbildern kamen auf den Seziertisch. Hier wurden dann die Goldzähne herausgebrochen. Bei Patienten mit wissenschaftlich interessanten Erkrankungen wurden die Gehirne entnommen und an Universitäten zur genaueren Forschung weitergeleitet.

Heute kann sich keiner von uns mehr vorstellen, wie so etwas wirklich passieren konnte und wie so viele Menschen diese Taten auch ausführen konnten. In unseren Köpfen machte sich extreme Betroffenheit breit.

Die Leichen wurden anschließend im Krematorium verbrannt. Jeder Patient wurde einzeln verbrannt, weshalb der Ofen Tag und Nacht laufen musste. Das Krematorium ist nicht mehr erhalten.

Bei uns allen kam vor allem die Frage auf, ob diese grausamen Zuständen tatsächlich in der Bevölkerung unbemerkt blieben und wieso niemand etwas dagegen unternahm. Schnell wurde uns jedoch klar, dass die Menschen damals Angst hatten, etwas zu sagen, obwohl sie über die Vorkommnisse in Ihrer Umgebung Bescheid wussten. Jedem, der nur ein falsches Wort verlor, drohte die Haft im Konzentrationslager oder sogar der eigene Tod. Auch das machte uns sehr bedrückt und nachdenklich. Wie hätten wir selbst denn damals gehandelt? Hätten wir geschwiegen oder gesprochen?

Nachdem wir den Keller durchlaufen und einen Eindruck von den grausamen Geschehnissen erhalten hatten, die sich hier abgespielt haben mussten, brauchten wir eine kleine Pause. Dafür gingen wir wieder in den Seminarraum.

Nach ca.10 min ging es dann weiter mit dem zweiten Teil unserer Führung. Wir erfuhren Genaueres über die zweite Phase in Hadamar, in der die Menschen nicht mehr vergast wurden, sondern durch eine Überdosis an Medikamenten und/oder mangelnder Ernährung ums Leben kamen.

Zum Abschluss machten wir uns dann auf den Weg zur Gedenklandschaft, wo sich früher die Massengräber befanden. Durch Nummern und aufgeschüttete Erde waren diese als Einzelgräber getarnt. Doch das sich unter jedem Grab mehrere Tote befanden, wusste bis zur Befreiung durch amerikanische Soldaten niemand. Die Gedenkstätte ähnelt heute nicht mehr den Massengräbern von damals. Heute erinnert eine Gedenklandschaft an die Opfer der Euthanasie-Anstalt Hadamar. Es war schrecklich zu wissen, dass man gerade dort steht, wo vor ca. 80 Jahren tausende Menschen vergraben wurden.

Wir alle hatten gemischte Gefühle. Man fragte sich einfach, wie schlimm das Leid dieser armen Menschen vor Ihrem Tod gewesen sein musste.

Nach guten drei Stunden war unsere Führung dann vorbei, aber nicht in unseren Köpfen. Es war still auf unserer Heimfahrt, weil jeder Schüler die Eindrücke erst einmal verarbeiten musste. So etwas sieht und hört man nicht, ohne dass es einen langfristig beschäftigt, wütend macht und wirklich bedrückt.

Kiara Hengstermann (10a)

© Bild: gedenkstaetten-uebersicht.de (2019)